Die Sippe Schittenhelm – von den Vorfahren bis heute

Schon im Jahr 1704 wurde der Schmiede-„betrieb von Jakob Schittenhelm gegrün-„det und kann jetzt in der 10. Generation auf ein 300-jähriges Bestehen zurücksblicken. Von allen Gewerbebetrieben „der Sippe Schittenhelm ist somit der Nebringer Schmiedebetrieb der älteste und größte. Jakob Schittenhelms Vorfahren stammen aus Wittlensweiler bei Freudenstadt, wo die Familie Schittenhelm von etwa 1600 bis ins 19. Jahrundert sehr verbreitet war. „Heute ist der Name Schittenhelm in Gäufelden häufig. Die Schittenhelms in Wittlensweiler wurden bereits in den Jahren um 1940 von Oberbaurat Dipl.-Ing. Adolf Eugen Schittenhelm in Stuttgart Bad-Cannstatt so gründlich erforscht, dass die Ereignisse als sozialyhistorische Studie einen ganzen Band füllen, den Band 8 der Schittenhelm-Familienchronik. Viele Schittenhelm hatten dort einflussreiche Positionen als Schultheiße und Richter des Waldgedings, als Hirschwirt, Kronenwirt, Müller und als Großbauern. Einer der ersten Schittenhelm in Wittlensweiler war Jakob Schittenhelm (1593 – 1651), der viermal heiratete, darunter dreimal eine Witwe.

Von seinen vier Söhnen zog der jüngste, Cyriacus oder Cyriax (1618-1688), um 1640 nach Magstadt, wo er 1644 Dorothea Jayser heiratete. Cyriax ist der Ahnherr des weitverzweigten Magstadter Stammes mit vielen Zweigen, vor allem aber Nebringen, Maichingen, Malmsheim, Gäufelden-Tailfingen, Nagold, Remmingsheim, Hildrizhausen, Pfäffingen und Holzgerlingen. Zum Hildrizhauser Zweig gehört Prof. Dr. Alfred Schittenhelm (1874-1954) in Kiel, später in München; zum Pfäffinger Zweig die Berliner Schauspielerin Brigitte Helm (*1908). Cyriax Sohn Jakob (1647-1678) war wie sein Vater Bauer in Magstadt und heiratete 1671 Anna Katharina Renner, Tochter eines Schmiedes in Magstadt. Dadurch wurde dessen Sohn, der auch Jakob (1676-1755) hieß, zum Erlernen des Schmiedehandwerks animiert. Auf seiner Wanderschaft blieb er in Nebringen hängen, wo er 1704 Anna, Tochter des Bauern Martin Egeler heiratete. In diesem Jahr gründete er die Nebringer Schmiede und wurde Stammvater der vielen Nebringer Zweige. Im Anschluß der aufgeführten Stammfolge lässt sich die lange Ahnenreihe dieses alten Geschlechts von heute bis 1401 zurückverfolgen.

Jakob und Bruder Gottlieb um 1912

Wohl nicht oft findet man heute noch handwerkliche Familientradition, in der Namen und Beruf trotz aller Wirrender Zeit drei Jahrhunderte von Geschlecht zu Geschlecht, 10 Generationen, immer vom Vater auf den Sohn weitergegeben wird.

Nur wenige hundert Einwohner zählte Nebringen im Jahre 1704, als sich Jakob Schittenhelm, von Magstadt kommend, sich hier als Fleckenschmied niederließ. Es geschah dies wohl auch der Liebe wegen, denn seine Ehefrau war die aus Nebringen stammende Anna Egeler.

Er war der 2. Schmied aus dem Geschlecht Schittenhelm, das seinen Ursprung von dem um 1570 in Wittlensweiler bei Freudenstadt geborenen Philipp Schittenhelm ableitet. Von Wittlensweiler aus hat sich die Familie Schittenhelm zunächst nach Magstadt und von dort nach Nebringen verzweigt. Der Nebringer Fleckenschmied Jakob Schittenhelm, ein Urenkel des Philipp Schittenhelm, gilt als der „Stammvater“ der Hildrizhausener und der Pfäffinger Hauptlinie der Familie.

Von 1704 bis 1988 war die Schmiede immer in der Lange Straße ansässig. Früher zählte die Lange Straße zur Sindlinger Straße. Innerhalb der heutigen Lange Straße wurde immer nur ein Steinwurf entfernt umgezogen.

Gottlieb senior wuchs mit 5 Brüdern auf und musste schon in frühster Jugend fest mithelfen. Als Vater Jakob 1934 an seinem 60. Geburtstag starb, führte er den Betrieb weiter, nachdem er 1933 die Meisterprüfung abgelegt hatte. Der von Gottlieb senior geführte Betrieb (1930 – 1972) war ausschließlich in der Lange Straße 3. Es war zuerst eine kleine Schmiede, dann wurde 1947 angebaut, denn die Maschinen und Geräte wurden immer größer.

Die Schmiedewerkstatt und Schlosserei Schittenhelm in Nebringen

Die Schmiedewerkstatt und Schlosserei Schittenhelm in Nebringen wurden immer größer. Früher wurde alles feuerge-schweißt, später autogen mit Sauerstoff und Acetylengas, welches im Gasentwickler aus Karbid selbst hergestellt wurde. 1948 wurde das erste elektrische Schweißgerät angeschafft, ein so genannten Umformer der Firma Himmel aus Tübingen.

Die finanziellen Mittel kamen aus dem Erlös der ersten Zwetschgenernte nach der Währungsreform. Die Älteren aus Nebringen werden sich noch erinnern, was in der alten Schmiede von Gottlieb senior alles geschafft wurde. Fast täglich brannte das Schmiedefeuer, dass die Funken sprühten. Melodische Hammerschläge hallten durch Höfe und Gassen, wenn Hufeisen, Hopfen-, Bohneneisen und Wagenbeschläge geschmiedet wurden. Hauen, Pickel, Pflugeisen und ähnliches mehr.

Ein ganz besonderer Arbeitsvorgang, den man schon lange nicht mehr kennt, war das Aufziehen eines Eisenreifens auf ein Wagenrad aus Holz. Diese Wagenräder wurden von den beiden ortsansässigen Wagnern Christian Schittenhelm und Gottlieb Weippert gefertigt. Am Vortag wurden die Helfer informiert sich für das Reifenaufziehen bereit zu halten. Beim Schmied ging es dann weiter mit dem Abmessen des benötigten Eisens, Biegen mit der Dreiwalzenbiegemaschine und ab ins Feuer zum Zusammenschweißen. Jetzt begann die Zeremonie: Auf ein ganz bestimmtes Klopfzeichen auf den Amboss eilten die Helfer aus der Nachbarschaft herbei, selbst Frauen, z. B. Anna Egeler, denn alles musste schnell gehen, bevor das Eisen abkühlte.

Gottlieb Senior

Sobald es mit dem Mähen der Wiesen oder des Getreides losging, wurden Sensen, die oft in einer langen Reihe an der Hauswand standen, gedengelt. In oder vor der Schmiede ertönten die Klänge oftmals abends bis in die Nacht hinein und am nächsten Morgen ab 4 Uhr wieder, damit die Bauern in aller Frühe mähen konnten.

Gottlieb senior hat auch einige Lehrlinge ausgebildet. Der erste Lehrling war Reinhold Gauß aus Nebringen, dann kamen Wilhelm Härtter aus Sulz am Eck, Walter Schmid aus Haslach, Ferdinand Weippert aus Sulz am Eck, Hans Thullner aus Gärtringen und Willi Gauß aus Tailfingen. Die Lehrlinge aus Sulz und Haslach wohnten damals im Haus ihres Meisters und wurden voll verköstigt. Es war auch selbstverständlich, dass die Lehrlinge in der Landwirtschaft, hauptsächlich während der Ernte, mithalfen.

Das Höchste war für Gottlieb senior der Hufbeschlag. Sobald ein Bauer einen Termin für das Beschlagen des Pferdes wollte, musste die übrige Arbeit warten, auch die eigene Landwirtschaft war dann Nebensache. Aus allen Nachbargemeinden wurden Pferde gebracht, und wenn die im Winter selbstgeschmiedeten Hufeisen aufgebrannt waren, zog durchs ganze Haus der Duft von verbranntem Horn. Der lange Walter aus der Nachbarschaft war stets eine große Hilfe beim Hufeisenschmieden und Pferde aufheben.

Diese Art von Wagen wurde nach dem 1.Weltkrieg als Reparation für Frankreich beschlagen.

Die Schmiedewerkstatt und Schlosserei Schittenhelm in Nebringen

Gottlieb senior war als Hufschmied weit über die Kreisgrenze hinaus bekannt. Während des 2.Weltkrieges hatte er 184 Pferde in der Kundschaft, eine große Anzahl von den Hofdomänen Sindlingen und Niederreutin. Zahlreiche Ehrendiplome und Plaketten erhielt er für die Qualität des „Schittenhelmschen Hufbeschlages“. Im Jahr 1949 hat Gottlieb senior bei der Hufbeschlagprämierung, die anlässlich der Pferdeschau mit Staatsprämienverleihung in Herrenberg stattfand, einen 1-a-Preis erhalten. Da der Schmied früher neben der Schmiede auch eine eigene Landwirtschaft betrieb, kam es auch vor, dass ein Bauer aus Haslach, wenn er mit seinem Pferd zum Beschlagen kam, bereits vom Schmied gemähten Futterklee aus Haslach mitbrachte.

Die Ehefrau Anna geb. Haas kam aus Haslach und hatte dort Grundstücke, sie war es auch, die den Auftrag zum Mitbringen des Futters gab, so wurde ihr ein Weg erspart. Hin und wieder mussten Farren (Bullen) die von der Gemeinde zur Deckung (Fortpflanzung der Kühe) gehalten wurden, die Klauen geschnitten werden. Diese Tiere waren sehr aggressiv und deswegen hatte man auf der Westseite des Hauses einen Notstand angebracht. Selbst ausschlagende Pferde wurden in diesem Notstand beschlagen. Die Tiere waren oft so unruhig und brachten den ganzen Notstand zum Wackeln. Bei so viel Wildheit hat selbst in der Wohnung alles vibriert.

Gottlieb senior war auch so etwas wie ein halber Tierarzt. Er ging nicht nur in den Viehstall zum Bauern um den Tieren die Klauen zu schneiden, auch wenn ein Stück Vieh Blähungen oder Koliken hatte, wurde der Schmied zu Hilfe gerufen. Mit Schlundrohr und Trokar wurde den Tieren Erleichterung verschafft.

Gottlieb Junior

Der Vater von Gottlieb junior war schon als dieser noch ein Kleinkind war, darauf bedacht, dass dieser täglich seinen Haferschleim bekam denn er sollte gute Knochen bekommen und kräftig werden, damit auch er Schmied werden konnte. Dies erzählte Gretel Schittenhelm, Nachbarin und Kindsmagd. Gottlieb junior hatte schon als Kind kein Sitzfleisch. Wenn die Mutter oder Kindsmagd Gretel ihn in den „Schutzengel“ setzten um sein großes Geschäft zu machen, blieb er nicht sitzen, sodass man ihm die kleinen Beine festbinden musste, um ein Malheur zu vermeiden.

Gottlieb junior begann seine Lehre im elterlichen Betrieb mit 13 1/2 Jahren. Die letzten zwei Jahre lernte er bei Karl Öhrlich in Bondorf. Als 15jähriger hat Gottlieb seinen ersten Schweißerbrief erfolgreich abgelegt. Der Hufbeschlag ging damals rapide zurück. Die Bauern ersetzten die Zugpferde durch Traktoren. Gummiwagen-Anhänger ersetzten die eisenbeschlagenen Leiterwägen. Zusätzlich zur Schmiedelehre hat Gottlieb sich bei der Firma Hagenlocher in Herrenberg- Gültstein in Sachen Landmaschinen- Reparatur weitergebildet.

Wahlspruch von Gottlieb junior: Der Herr der Eisen wachsen ließ, schuf auch die Eisenmänner, drum segne Herr auch überdies, den Amboß und die Hämmer.

Nach Ablegen der Meisterprüfung im Januar 1964 übernahm Sohn Gottlieb junior den Betrieb und erstellte neben dem elterlichen Haus im bisherigen Obst und Gemüsegarten ein neues Wohnhaus mit angrenzender Werkstatt und Tankstelle. Als Nachfolger des Vaters hat sich Sohn Gottlieb mit seiner Arbeit der Zeit angepasst. Wie in allen Bereichen hat sich auch im Schmiedehandwerk ein Wandel vollzogen.

Hans Schittenhelm

Zur ursprünglichen Schmiede kam eine Landmaschinen-Reparaturwerkstatt und Tankstelle dazu. Mit Einsetzen des Baubooms Mitte der fünfziger Jahre hat sich der Betrieb mehr auf Bauleistungen wie Rohrleitungsbau, Wasserleitungsinstallation in Neubauten, Kunstschmiede-arbeiten und Stahlbau verlegt. Schon zu Großvater Jakobs Zeiten verlegte der Schmied auch die Rohrleitungen für die Wasserversorgung in den Straßen der Gemeinden Nebringen und Haslach. In den Häusern und Ställen wurden ebenfalls die Wasserleitungen installiert.

Doch nach wie vor war Gottlieb junior die Arbeit der Handwerkskunst des Schmiedemeisters mit der Fertigung von kunstvoll geschwungenen Balkon- und Treppengeländern, Gartentoren und kleinen Kunstobjekten wichtig. Auch noch heute steht er gerne an der Esse und schmiedet diverse Meißel und Hauen.

Hans Schittenhelm, aus der selben Sippe, arbeitet seit 28 Jahren ständig im Betrieb mit viel Fleiß und Fachkönnen. Durch seine stete Einsatzbereitschaft hat er maßgeblich zum heutigen Stand der Firma beigetragen. Im Jahr 2001 erhielt er für 25-jährige ununterbrochene Tätigkeit die Ehrenurkunde der Handwerks-kammer.

Rosa Grupp, geb. Schittenhelm

Die Schwester von Gottlieb, Rosa Grupp, hat sich schon beim Vater um die damals noch unkomplizierten schriftlichen Angelegenheiten gekümmert. Sie ist nun schon seit 3 Generationen im Büro tätig.

Betriebsgelände von Schittenhelm Metallhandwerk in der Siedlerstraße

In der Werkstatt Lange Str. 5 wurde es immer enger. Als dann 1988 das Gewerbegebiet in Nebringen entstand, wurde der Entschluss gefasst, dorthin umzusiedeln. Die alte Werkstatt wurde zur Poststelle umgebaut.

Auf einem Grundstück von über 4500 qm, im Gewerbegebiet in der Siedlerstraße, wurde eine Werkhalle mit 800 qm erstellt. Der Betrieb in der Siedlerstraße 10 wurde am 1. März 1989 aufgenommen. In der neuen Halle hatten ein großes Material-lager, Schwenkkräne für schwere Lasten und neue Maschinen Platz. Eine Hebebühne, Edelstahlschweißplatz, CNC Abkant-presse mit 200 Tonnen Pressdruck, Profilstahlschere, Schlag-schere 3000 x 12 mm, Stanze (80 Tonnen Pressdruck) und Dornbiegemaschine standen jetzt neben der traditionellen
Esse, den schweren Lufthämmern, Drehbank und Fräsmaschine.

Bernd Schittenhelm

1985 begann Sohn Bernd eine Schmiedelehre bei der Firma Gann in Darmsheim. 1988 bei der Gesellenprüfung war er bei dem letzten Jahrgang für die spezielle Berufsbezeichnung Schmied, die danach als Metallbauer mit verschiedenen Fachrichtungen umbenannt wurde. Selbstverständlich hat er sich in dieser Zeit auch schon im elterlichen Betrieb nützlich gemacht und den Hammer in die Hand genommen.

Ab 1988 arbeitet Bernd ganz im elterlichen Betrieb und war tatkräftig am Bau der neuen Halle beteiligt. 1992 hat Bernd Schittenhelm als einer der jüngsten Teilnehmer von Baden-Württemberg seinen Meistertitel als Metallbauer und Schweiß-fachmann erworben. 1994 legte er die Prüfung zum Betriebswirt des Handwerkes ab.

Nach alter Tradition übernahm Bernd Schittenhelm am 1. Februar 2003 den väterlichen Betrieb. Gottlieb unterstützt seinen Sohn aber noch tatkräftig bei der Arbeit und steht ihm mit seiner langjährigen Erfahrung zur Seite.

Bernd ist Vater von drei Söhnen Oliver, Marius, Julian und einer Tochter Jasmin. Es wäre zu wünschen, dass sich die 300jährige Tradition fortsetzt, die Tausende von geschmiedeten und bearbeiteten Hufeisen während der vielen Jahre sich als glückhaftes Symbol der Schittenhelms erweisen.